Peripartale Kardiomyopathie: Herzerkrankungen bei Schwangerschaft und Geburt
Der Begriff „peripartale Kardiomyopathie“ (PPCM) bezieht sich auf eine selten auftretende, in ihren Konsequenzen aber schwerwiegende Erkrankung des Herzens. Die Herausforderung besteht darin, dass die PPCM (die auch als „schwangerschaftsassoziierte Kardiomyopathie“ bezeichnet wird) als potenziell lebensbedrohliche Herzerkrankung auch Frauen betreffen kann, die zuvor keine Probleme mit der Herzgesundheit hatten.
Typisch für das Krankheitsbild ist ein Auftreten in der letzten Phase der Schwangerschaft und den ersten Wochen nach der Geburt. Werden die Symptome der PPCM nicht rechtzeitig ernst genommen, kann dies zu ernsthaften Konsequenzen führen. Ärzte, die Frauen während der Schwangerschaft begleiten, müssen nicht nur die Warnzeichen berücksichtigen, sondern auch die besonders gefährdeten Risikogruppen kennen.

Was ist eine peripartale Kardiomyopathie?
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Es handelt sich um eine seltene und gefährliche Herzerkrankung.
- Betroffen sein können auch gesunde Frauen während der Schwangerschaft und nach der Geburt.
- Die Erkrankung führt zu einer Verminderung der Leistung des Herzens.
Bei der peripartalen Kardiomyopathie handelt es sich um eine Herzmuskelschwäche bei Frauen, die ohne einen erkennbaren, in der Vergangenheit bereits relevanten kardialen Risikofaktor auftritt. Der Begriff „Peripartal“ beschreibt den Zeitpunkt der Manifestation, der im Zeitraum um die Geburt herum liegt. Besonders ungewöhnlich ist das Auftreten der Erkrankung des Myokards (Herzmuskels) auch bei Frauen, die bis dahin keine Probleme mit der Herzgesundheit hatten.
Typisch für die Herzerkrankung ist die dilatative Kardiomyopathie, bei der sich die Herzkammer erweitert und die Pumpfunktion des Herzens deutlich abnimmt. Es ist dann nicht mehr in der Lage, den Blutkreislauf adäquat aufrechtzuerhalten. Die Medizin charakterisiert eine PPCM als idiopathische (ohne erkennbare Ursache auftretende) Herzerkrankung, bei der die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) auf weniger als 45 Prozent zurückgeht.
Diese Verminderung des Auswurfs bedeutet eine deutlich verringerte Herzfunktion – das Herz verfügt also nicht mehr über seine frühere Leistungsfähigkeit. Ihr rasches Fortschreiten (Progression) macht die PPCM zu einer großen Herausforderung. Während sich viele Formen der Kardiomyopathie über Jahre entwickeln, kann die PPCM binnen Wochen zu einer schweren, lebensbedrohlichen Herzinsuffizienz führen.
Wie oft tritt eine peripartale Kardiomyopathie auf?
Die Häufigkeit des Auftretens der peripartalen Kardiomyopathie wird von geografischen und ethnischen Faktoren beeinflusst. Für Deutschland wird die Inzidenz auf etwa 1:1.500 bis 1:2.000 Schwangerschaften geschätzt, die USA liegen auf einem ähnlichen Niveau. Einige Quellen sprechen auch von einer geringeren Inzidenz (1:4.000). International zeigen sich allerdings deutliche Unterschiede.
Für Südafrika wird der Wert auf 1:1.000 geschätzt, in Haiti ist die Inzidenz mit 1:300 noch einmal deutlich höher [1]. Mögliche Ursachen für diese großen Unterschiede können einerseits in genetischen Faktoren, aber auch in Unterschieden bei der Diagnostik gesehen werden. Aufgrund des Zusammenhangs mit Schwangerschaft und Geburt liegt die größte altersbezogene Häufung der Erkrankung zwischen 25 und 35 Jahren.
Ursachen und Risikofaktoren der peripartalen Kardiomyopathie
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Es wird davon ausgegangen, dass die Erkrankung auf mehreren Ursachen beruhen kann.
- Spaltprodukte des Hormons Prolaktin schädigen den Herzmuskel.
- Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht begünstigen die Entstehung einer PPCM.
Die Mechanismen, die zur Entstehung der Erkrankung führen, sind bislang nicht genau bekannt und weiterhin Gegenstand intensiver Forschung. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse deuten jedoch auf ein Ineinandergreifen verschiedener Mechanismen und Risikofaktoren hin. Von besonderer Bedeutung scheint der Einfluss einiger Hormone und Signalproteine zu sein, die im Zusammenspiel die Schädigung der Gefäße begünstigen.
Anscheinend spielt das Prolaktin eine Rolle (Hormon, welches die Milchbildung und das Wachstum der Brustdrüsen anregt), welches im Hypophysenvorderlappen gebildet und in bestimmten Situationen in 16-kDa-Prolaktin gespalten wird. Dieses wiederum hat eine negative Wirkung auf das Herz. Unter anderem wird das Endothel geschädigt und es kommt zu einer Beeinflussung des Stoffwechsels der Zellen im Herzmuskelgewebe (das 16-kDa-Prolaktin hat antiangiogenetische und proapoptotische Eigenschaften).
Des Weiteren hat sich in einer Studie gezeigt, dass verschiedene Signal- und Aktivatorproteine gestört sind [2]. Beispielsweise lassen sich VEGF-Hemmer (Vascular Endothelial Growth Factor) in erhöhter Konzentration nachweisen. Es entsteht eine Störung des Gleichgewichts zwischen pro- und antiangiogenetischen Faktoren auf molekularer Ebene.
Risikofaktoren für das Entstehen einer peripartalen Kardiomyopathie
Neben den bisher bekannten Einflussfaktoren auf der Ebene der Hormone und Proteine lässt sich eine Verbindung zwischen der peripartalen Kardiomyopathie und verschiedenen Risikofaktoren erkennen. Als solcher wird unter anderem ein höheres Lebensalter der Frau gesehen. Darüber hinaus spielen folgende Aspekte eine Rolle:
- Adipositas,
- arterielle Hypertonie,
- Mehrlingsschwangerschaften (da in diesem Fall VEGF-Hemmer in höherer Konzentration ausgeschieden werden).
Zudem können Herzerkrankungen bei nahen Verwandten (vorliegende familiäre Belastung) zu einer Erhöhung des Risikos führen. Gefährdet sind aber auch Frauen, die wehenhemmende Mittel erhalten haben, sowie Raucherinnen.
Symptome der peripartalen Kardiomyopathie
Wie bei einer Herzinsuffizienz anderer Ursache kann auch bei der peripartalen Kardiomyopathie Kurzatmigkeit zu den ersten Beschwerden gehören. Diese tritt typischerweise bei Belastung auf, kann sich aber auch in Ruhe bemerkbar machen. Daneben können sich weitere Symptome einstellen.
- Müdigkeit und Schwäche: Eine ausgeprägte Abgeschlagenheit, die über das normale Maß der Schwangerschaft oder der Phase nach der Geburt hinausgeht. Patientinnen sind teilweise stark erschöpft und im Alltag eingeschränkt.
- Husten: Ein Symptom, das in der Regel nicht sofort mit einer verminderten Leistungsfähigkeit des Herzens in Verbindung gebracht wird, ist ein trockener, nächtlicher Husten. Ungünstigerweise besteht hier immer die Gefahr einer Fehlinterpretation als Atemwegsinfekt.
- Ödeme: Wassereinlagerungen machen sich bei einer Herzinsuffizienz zu Beginn im Bereich der Knöchel und Unterschenkel bemerkbar, können sich infolge des Fortschreitens der Erkrankung aber ausdehnen.
Über diese Anzeichen hinaus können sich auch Herzrhythmusstörungen entwickeln, die als Palpitationen (Herzstolpern) oder Extrasystolen wahrgenommen werden. Ein weiteres Warnzeichen, das unbedingt ernst zu nehmen ist, sind neu auftretende Brustschmerzen.
Diagnostik bei Verdacht auf peripartale Kardiomyopathie
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Die Symptome sind mit denen einer Herzschwäche vergleichbar.
- Kurzatmigkeit ist oft eines der ersten spürbaren Krankheitszeichen.
- Eine wichtige diagnostische Maßnahme ist der Ultraschall des Herzens.
Durch die Beschwerden und Einschränkungen, die im Rahmen der späten Schwangerschaftsphase, Geburt und ersten Monate nach der Entbindung entstehen, kann es zu einer Fehlinterpretation der Symptome einer PPCM kommen. Erschwerend kommt hier hinzu, dass die ersten Anzeichen nicht selten schleichend einsetzen. Eine rechtzeitige Diagnosestellung verbessert die Heilungsprognose.
Die Diagnostik bei Verdacht auf peripartale Kardiomyopathie basiert auf einer Kombination verschiedener Methoden – von den bildgebenden Verfahren der Radiologie bis zu Laboruntersuchungen. Im Rahmen der klinischen Untersuchung ist auf Herzinsuffizienzzeichen zu achten. Eine wichtige Untersuchung ist die Echokardiographie (Ultraschall des Herzens). Durch die Beurteilung der Herzfunktion und Messung der linksventrikulären Auswurffraktion können wichtige Hinweise gewonnen werden. Charakteristisch sind:
- die Verringerung des Auswurfs im linken Ventrikel und
- die Erweiterung der linken Herzkammer.
Im Rahmen der Labordiagnostik wird der BNP-Wert (NT-proBNP, N-terminales Propeptid BNP) bestimmt, der zwar nicht spezifisch auf die peripartale Kardiomyopathie anspricht, aber die Herzinsuffizienz anzeigt. Zusätzlich werden weitere Parameter, wie Troponin oder Schilddrüsenhormone und Entzündungsparameter bestimmt, um andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomkomplexen auszuschließen.
Bildgebende Verfahren – wie zum Beispiel das Röntgen – sind nicht primär relevant. Allerdings deuten Untersuchungen der peripartalen Kardiomyopathie für die Magnetresonanztomographie (MRT) zumindest einen prognostischen Nutzen an, da eine in der MR-Untersuchung erkannte myokardiale Fibrose mit einer negativen Prognose assoziiert zu sein scheint.
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Behandlung und Prognose der peripartalen Kardiomyopathie
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Die Therapie orientiert sich an den Leitlinien für die Behandlung von Herzinsuffizienz.
- Der Schutz des Fötus und Säuglings spielt eine große Rolle.
- Experimentelle Bromocriptin-Therapien scheinen als Ansatz erfolgversprechend.
Grundsätzlich erfolgt eine Behandlung der peripartalen Kardiomyopathie basierend auf den Leitlinien für die Therapie einer Herzinsuffizienz. Da auf die Gesundheit des Fötus besonderer Wert gelegt werden muss, kommen verschiedene Medikamente wie Aldosteron-Antagonisten als Behandlungsoption nicht in Betracht.
Sofern die erreichte Rest-Auswurffraktion sehr niedrig ausfällt, wird zur Verringerung des Thromboserisikos auf Medikamente gesetzt, welche als Koagulationshemmer wirken (zum Beispiel Heparin). Zudem zeigen neuere Forschungsergebnisse, dass der Dopamin-Agonist Bromocriptin in der Behandlung Potenzial hat und die Herzgesundheit von betroffenen Frauen verbessern kann [3].
Fazit: Schwangere sollten sich der Möglichkeit einer peripartalen Kardiomyopathie bewusst sein und Anzeichen unbedingt ernst nehmen
Die peripartale Kardiomyopathie ist eine in Deutschland eher seltene Erkrankung unter schwangeren Frauen, die kurz vor oder nach der Geburt einsetzt. Aufgrund der Komplikationen, die mit der PPCM einhergehen, dürfen Anzeichen wie Kurzatmigkeit, Husten (ohne erkennbaren Infekt) oder das Auftreten von Ödemen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Durch die Schädigung des Myokards kommt es nicht nur zu Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Herzens, sondern es droht auch die Bildung von Blutgerinnseln oder der Herztod.
FAQ zur peripartalen Kardiomyopathie: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Kann ich trotz peripartaler Kardiomyopathie noch ein Kind bekommen?
Der Stand der medizinischen Forschung deutet darauf hin, dass auch bei einer PPCM eine wiederholte Schwangerschaft nicht ausgeschlossen ist. Allerdings muss in diesem Zusammenhang eine engmaschige Betreuung stattfinden, um auf kardiale Ereignisse umgehend reagieren zu können [4].
Wie hoch ist die Lebenserwartung mit peripartaler Kardiomyopathie?
Die Prognose hängt von verschiedenen Faktoren ab, zu denen auch die persönlichen Rahmenbedingungen gehören. Der weitere Verlauf ist regelmäßig von der diagnostizierten Schwere der Erkrankung abhängig. Darüber hinaus scheinen in Einzelfällen auch genetische Faktoren eine Rolle zu spielen.
Sollte ich mit peripartaler Kardiomyopathie weiter stillen?
Betroffenen Frauen wird das Abstillen aus zwei Gründen empfohlen. Auf der einen Seite gehen so keine Bestandteile der Medikation auf den Säugling über. Andererseits wird das Prolaktin mit der Erkrankung in Verbindung gebracht.
[1] Springer Medizin: Schwangerschaftsassoziierte Kardiomyopathie, online verfügbar unter: Link (Datum des letzten Zugriffs: 11.09.2025).
[2] Patten IS, Rana S, Shahul S, Rowe GC, Jang C, Liu L, Hacker MR, Rhee JS, Mitchell J, Mahmood F, Hess P, Farrell C, Koulisis N, Khankin EV, Burke SD, Tudorache I, Bauersachs J, del Monte F, Hilfiker-Kleiner D, Karumanchi SA, Arany Z. Cardiac angiogenic imbalance leads to peripartum cardiomyopathy. Nature. 2012 May 9;485(7398):333-8. doi: 10.1038/nature11040. PMID: 22596155; PMCID: PMC3356917.
[3] Hilfiker-Kleiner D, Haghikia A, Berliner D, Vogel-Claussen J, Schwab J, Franke A, Schwarzkopf M, Ehlermann P, Pfister R, Michels G, Westenfeld R, Stangl V, Kindermann I, Kühl U, Angermann CE, Schlitt A, Fischer D, Podewski E, Böhm M, Sliwa K, Bauersachs J. Bromocriptine for the treatment of peripartum cardiomyopathy: a multicentre randomized study. Eur Heart J. 2017 Sep 14;38(35):2671-2679. doi: 10.1093/eurheartj/ehx355. PMID: 28934837; PMCID: PMC5837241.
[4] Willen C, Gießelmann K. Peripartale Herzinsuffizienz: Erneute Schwangerschaft trotz peripartaler Kardiomyopathie möglich. Dtsch Arztebl International. 2025 Apr 4; Supplement Kardiologie 1:-24. doi:10.3238/PersKardio.2025.05.30.06.