Bildgebung mit Dual-Energy-CT: Warum zwei Energien mehr zeigen als eine
Die Dual-Energy-Bildgebung ist ein vergleichsweise junger technischer Ansatz in der radiologischen Bildgebung mit dem Ziel, die Darstellung der herkömmlichen Röntgenverfahren weiter zu verbessern. Zum Einsatz kommt die Methode vor allem im Bereich der Computertomographie (CT) und wird in diesem Zusammenhang als Dual-Energy-CT oder DECT bezeichnet.
Das Verfahren basiert auf zwei verschiedenen Röntgen-Energiespektren für die Bildakquisition (Aufnahme der Bilder) und ermöglicht eine differenzierte Materialanalyse, die mit den klassischen Single-Energy-Verfahren in dieser Form nicht möglich ist. Hinter der Dual-Energy-Bildgebung steht letztlich das Ziel, noch präzisere Informationen zur Beschaffenheit bestimmter Strukturen zu gewinnen und diese damit umfassend differenzieren zu können.

Grundlagen der Dual-Energy-Technologie
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Für die Dual-Energy-CT werden zwei verschiedene Röntgen-Energieniveaus gleichzeitig genutzt.
- Verschiedene Materialien reagieren unterschiedlich auf diese beiden Energien.
- Mittels spezieller Bildtechniken können die Substanzen besser voneinander unterschieden werden.
Röntgenstrahlung interagiert über verschiedene Mechanismen mit Körpergewebe und den im Körper enthaltenen Verbindungen bzw. Elementen wie Kalzium. Diese sind – wie zum Beispiel der photoelektrische Effekt (Wechselwirkung elektromagnetischer Strahlung mit Materie) – energieabhängig. Demnach bewirkt eine Veränderung des Energieniveaus, dass die Stoffe auf die Bestrahlung unterschiedlich reagieren.
Zum besseren Verständnis folgendes Beispiel: Bei Tageslicht sind sowohl der Apfel als auch der Pfirsich rot. Unter UV-Licht betrachtet, hat der Pfirsich hingegen eine andere Farbe. Genau diesen Effekt macht sich die Dual-Energy-Bildgebung zunutze – nur, dass an dieser Stelle Röntgenstrahlen mit jeweils unterschiedlichen Energieniveaus benutzt werden.
Die Dual-Energy-Bildgebung als nichtinvasive Materialanalyse
Körpergewebe und Elemente im Körper reagieren bei der Anfertigung von Röntgenaufnahmen in Abhängigkeit von der Energie teilweise anders und können die Röntgenstrahlen bestimmter Energieniveaus besonders stark absorbieren. Dies trifft zum Beispiel auf Jod und Kalzium zu, während normales Gewebe keine so starken Unterschiede erkennen lässt. Elemente und Verbindungen mit dieser besonderen Eigenschaft haben eine hohe kritische Absorptionsenergie.
Angesichts dieser Eigenschaften eignet sich die Dual-Energy-Röntgendiagnostik zur Materialdifferenzierung bei der Bildaufnahme. Radiologen können anhand der speziellen Eigenschaften des Jods zum Beispiel die Verteilung des Röntgenkontrastmittels (das Jod enthält) präzise nachverfolgen.
Die DECT wird mit speziellen Computerprogrammen kombiniert, die auf Algorithmen basieren, mit denen Materialdichtekarten erstellt werden. Diese herstellerspezifischen (für die DECT-Geräte arbeiten Hersteller mit eigens entwickelten Algorithmen) Softwarewerkzeuge sind in der Lage, die Karten so auszugeben, dass bestimmte Materialien selektiv unterdrückt werden oder sich der Materialkontrast verstärkt. Auf diese Weise ermöglicht die Dual-Energy-CT die Untersuchung sehr spezifischer Fragen.
Wird zum Beispiel ein monochromatisches, niedrigenergetisches Bild erzeugt, zeigt der verstärkte Jodkontrast Areale mit einer starken (pathologisch relevanten) Kontrastmittelkonzentration an, was auf Metastasen mit starker Durchblutung hindeuten kann.
Die technische Umsetzung der DECT
Um eine Bildgebung mit zwei unterschiedlichen Energieniveaus durchführen zu können, muss das CT-Gerät über eine spezielle Hardwarekonfiguration verfügen. In der Praxis haben sich diesbezüglich verschiedene Lösungen etabliert – auf der einen Seite Systeme, die Strahlung mit unterschiedlichen Energiespektren (emissionsbasierte DECT) aussenden und auf der anderen Seite Geräte, bei denen die Trennung der Spektren über die Detektoreinheit erfolgt.
In den emissionsbasierten Geräten werden entweder zwei Röntgenröhren verwendet, die jeweils für ein Energiespektrum zuständig sind oder es werden Ein-Röhren-Systeme benutzt, die zu Spannungswechseln in der Lage sind, was in einer Röntgenstrahlung mit unterschiedlichen Energieniveaus resultiert.
Eine Realisierung auf Detektorebene bedeutet, dass die Einheit Photonen unterschiedlicher Energie in zwei Schichten auffängt (Dual-Layer) oder die Energie einzelner Photonen gezählt wird (Photon-Counting). Eine weitere Variante ist die Twin-Beam-Technik, bei der eine Spaltung des Röntgenstrahls durch Filtersysteme nach seiner Emission erfolgt.
Klinische Anwendungsbereiche und Indikationen
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Durch eine Dual-Energy-CT lassen sich kalzifizierte Plaques in Gefäßen darstellen.
- Mithilfe des Verfahrens ist eine Differenzierung von Nierensteinen möglich.
- Mit dem Jod-Enhancement sind in der Onkologie Tumore anhand der Durchblutung zu erkennen.
Die Dual-Energy-Bildgebung nutzt zwar kein physikalisch neues Verfahren, bedeutet aber dennoch einen Mehraufwand (durch die Entwicklung neuer Geräte), der in irgendeiner Weise gerechtfertigt sein muss. Ein bedeutender Aspekt besteht darin, das mit einer Bildaufnahme mehr Informationen gewonnen werden. Gerade die materialspezifischen Aussagen lassen sich in verschiedenen Bereichen der Diagnostik verwenden.
Vaskuläre Bildgebung und Kontrastmittelanalyse
Im Rahmen der CT-gestützten Angiographie ermöglicht die Dual-Energy-Bildgebung die Identifikation kalzifizierter Plaques, wodurch eine klare Beurteilung der Gefäßdurchgängigkeit und Stenosebereiche möglich wird. Diese Anwendung hilft besonders dort weiter, wo die konventionelle Angiographie an ihre Grenzen stößt.
Mithilfe von Jod-Overlay-Bildern lässt sich die Verteilung des Kontrastmittels in Läsionen (Schädigung oder Störung einer anatomischen Struktur) nachweisen und ermöglicht damit die Unterscheidung zwischen Metastasen und Hämatomen. Während an die Blutversorgung angeschlossene Tumore eine Kontrastmittelkonzentration erkennen lassen, ist dies bei einem Hämatom normalerweise nicht der Fall. Diese Differenzierungsmöglichkeit ist von klinischer Bedeutung, da sie die Informationen nichtinvasiv liefert.
Eine weitere Besonderheit der DECT ist die Möglichkeit, aus den Dual-Energy-Bildern die Materialunterschiede herauszurechnen und damit zum Beispiel die Joddarstellung zu unterdrücken. Solche „virtual unenhanced“ (virtuell dekontrastierte) Bilder ermöglichen die native Bewertung von Gewebe ohne zusätzliche Aufnahmen und die starke Hervorhebung der kontrastmittelverstärkten Bereiche. Damit lassen sich zum Beispiel akute Blutungen von anderen Flüssigkeitsaustritten unterscheiden.
Urologie und Nephrolithiasis
Die Dual-Energy-CT dient zur Erkennung von Nierensteinen. Dazu werden die Bilder nach ihrem Wasser- bzw. ihrem Jodanteil gewichtet. Diese Zwei-Material-Zerlegung macht eine Unterscheidung in Harnsäure-basierte Steine und Nicht-Harnsäure-Steine möglich, da Uratsteine bei einer Visualisierung nach Wasseranteilen sichtbar sind, bei Jod-basierten Aufnahmen aber nicht. Neben der Bewertung von Nierensteinen kann die Technik aber auch Informationen zur Verteilung von Uratkristallen bei Gicht liefern.
Onkologische Anwendungen
In der onkologischen Bildgebung können Jodbilder zur Abgrenzung verschiedener Läsionen benutzt werden. Dabei wird unter anderem der Umstand ausgenutzt, dass sich durch die Bildung von Blutgefäßen in den Tumoren eine Anreicherung (Enhancement) des intravenös verabreichten Kontrastmittels entwickelt und sich damit zum Beispiel bei Pankreasläsionen zwischen Pankreastumoren und zystischen Veränderungen unterscheiden lässt. Treten bei Aufnahmen der Leber auffällige periphere Anreicherungen auf, kann dies zum Beispiel auf Lebermetastasen hindeuten. Zudem eignet sich die DECT zur Suche nach einem möglichen malignen Knochenbefall.
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Vergleich mit anderen bildgebenden Verfahren
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Die Dual-Energy-CT liefert gegenüber der konventionellen Single-Energy-CT mehr Informationen.
- Mit den verschiedenen Algorithmen sind unterschiedliche Bildrekonstruktionen möglich.
- Die Qualität der Bildakquisition ist mitunter so gut, dass auf eine zusätzliche Magnetresonanztomographie verzichtet werden kann.
Mit der Eigenschaft, aus nur einer Aufnahme über die unterschiedlichen Energiespektren Informationen über die Materialverteilung und Gewebezusammensetzung zu liefern, ist die DECT in der Lage, gegenüber Single-Energy-CT-Scans und der Magnetresonanztomographie (MRT) wichtige Fortschritte zu erzielen.
Im Vergleich mit der Single-Energy-CT, bei der das Unterscheiden verschiedener Gewebetypen mitunter schwierig werden kann, erreicht die DECT eine wesentlich bessere Differenzierung. Gleichzeitig können die Algorithmen virtuelle native Bilder erzeugen, um Läsionen oder Strukturen ohne das Enhancement zu betrachten, wofür keine zweite Untersuchung (mit einer entsprechenden Strahlenbelastung) erforderlich ist.
Zudem erlaubt die Materialdichtekarte eine umfassende Bewertung kritischer Strukturen. Durch die Unterdrückung einzelner Elemente (zum Beispiel bei der virtuellen Nicht-Kalzium-Bildgebung, VNCa) liefert das Verfahren mitunter einen ausreichend hohen Kontrast, um auf eine komplizierte und aufwendige MRT-Untersuchung oder die Knochenszintigraphie verzichten zu können. Die schnelle Bildakquisition macht die Dual-Energy-CT zu einer diagnostisch interessanten Methode, die aufgrund ihrer schnellen Durchführbarkeit künftig auch als Screening-Tool oder zur Erstbeurteilung an Bedeutung gewinnen kann.
Vorteile der Dual-Energy-Bildgebung
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Bessere Materialunterscheidung ohne zusätzliche Strahlenbelastung.
- Multiples Bildmaterial wird in einer einzigen Aufnahme zusammengefasst.
- Die Untersuchung nimmt im Vergleich zur Single-Energy-Bildgebung nicht mehr Zeit in Anspruch.
Die Dual-Energy-Bildgebung bietet der Medizin mehrere Vorteile, die sie vor dem Hintergrund verschiedener Fragestellungen insbesondere gegenüber der Single-Energy-CT überlegen machen. Sie liefert mehr Informationen, ohne dafür mehrere Untersuchungen zu erfordern. Über die verschiedenen Bildtechniken lässt sich die Kontrastmittelverteilung oder die Kalzifizierung herausarbeiten. Dank der virtuellen nativen Darstellung braucht es keinen zweiten Untersuchungsgang, was bedeutet, dass die Strahlenbelastung für den Patienten sinkt.
Vorteile der Dual-Energy-CT im Überblick:
- Bei gleichem Informationsgewinn sind weniger Termine erforderlich.
- Es besteht die Chance, auf eine MRT oder Szintigraphie zu verzichten, da ein Teil der damit gewonnen Informationen auch über die Dual-Energy-CT abgebildet werden können.
- Kann auf die MRT verzichtet werden, entsteht ein Kostenvorteil.
- Im Vergleich zur Single-Energy-Bildgebung nimmt die Untersuchung nicht mehr Zeit in Anspruch.
Fazit: Die Dual-Energy-Bildgebung verbessert Informationsgewinn
Die Dual-Energy-CT stellt eine Verbesserung der röntgenbasierten Bildgebung dar und bringt somit für Ärzte und Patienten eine Verbesserung. Durch die Kombination von zwei Röntgenenergien lassen sich Materialien differenzieren, die in der Einzel-Energie-Untersuchung nur einen geringen Helligkeitsunterschied aufweisen. Daraus ergeben sich mehrere Vorteile. Ohne zusätzliche Untersuchungstermine werden mehr Informationen gewonnen, auf deren Grundlage umfassende Diagnosestellungen möglich sind. Zudem ist die Bildakquisition in einem vergleichbaren Zeitfenster einer Single-Energy-Aufnahme möglich, ohne dabei zu höheren Strahlenbelastungen zu führen. Davon profitieren unter anderem die Gefäßdiagnostik und die Onkologie.
FAQ zur Dual-Energy-Bildgebung: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Gibt es Kontraindikationen für die Dual-Energy-Bildgebung?
Ja, eine Schwangerschaft gilt allgemein als Kontraindikation für radiologische Untersuchungen, ebenso wie das Vorliegen einer Allergie gegenüber dem jodhaltigen Kontrastmittel und schwere Nierenfunktionsstörungen. Da das Verfahren technisch auf den Prinzipien der CT beruht, gelten an dieser Stelle vergleichbare Einschränkungen für die Durchführung.
Kann jede Radiologiepraxis eine DECT durchführen?
Grundvoraussetzung ist immer das Vorhandensein der notwendigen Hardware. Aufgrund der unterschiedlichen gerätetechnischen Umsetzung einer Dual-Energy-Bildgebung sind herkömmliche Single-Energy-Geräte nicht in der Lage, mehrere Energielevel der Röntgenstrahlung abzubilden.
Kann die DECT eine MRT-Untersuchung komplett ersetzen?
Die Dual-Energy-Bildgebung liefert im Vergleich zur klassischen CT mehr Informationen, erreicht aber bei der Abbildung von Weichgewebe nach wie vor nicht die hohe Bildauflösung einer MRT-Untersuchung. Der Einsatz richtet sich letztlich immer nach der jeweils konkreten Fragestellung.