Neuroendokrine Tumore: Arten, Eigenschaften, Symptome, nuklearmedizinische Erkennung & Behandlung
Die neuroendokrinen Tumore (NET) bilden eine sehr heterogene Gruppe seltener Krebserkrankungen, die aus spezifischen Zellen des neuroendokrinen Systems entstehen. Die Besonderheit dieser Tumore ist ihre Fähigkeit zur Hormonproduktion. Daher sind sie durch komplexe Symptome gekennzeichnet, die sich nicht sofort einer bestimmten Erkrankung zuordnen lassen. Eine Eigenschaft, die Ärzte sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie vor besondere Herausforderungen stellt.
Die Nuklearmedizin als Teilgebiet der Radiologie spielt eine zentrale Rolle für die präzise Erkennung der NET (aufgrund der Bezeichnung „neuroendokrine Neoplasien“ wird teilweise auch die Abkürzung NEN verwendet) und die Planung der optimalen Behandlung.

Was sind neuroendokrine Tumore?
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Neuroendokrine Tumore entstehen aus hormonproduzierenden Zellen, die im gesamten Körper verteilt sind.
- Die Symptome variieren stark je nach Lokalisation und Hormonproduktion des Tumors.
- Je nach Zellteilungsrate kann sich eine Erkrankung schnell verschlechtern.
Neuroendokrine Tumore entwickeln sich aus Zellen, die dem Nervensystem zuzuordnen sind, aber Hormone und Botenstoffe ausschütten können. Diese sogenannten „neuroendokrinen Zellen“ spielen eine wichtige Rolle bei der Regulierung verschiedener Körperfunktionen und sind in vielen Organsystemen anzutreffen – unter anderem dem Magen-Darm-Trakt, der Lunge und der Bauchspeicheldrüse. Besonders häufig treten innerhalb der NET Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts auf, die mit bis zu 85 Prozent die Mehrheit der Diagnosen ausmachen [1].
Bezüglich der Häufigkeit, mit denen die Tumore auftreten, gehen die Schätzungen der Quelle auseinander und sprechen von bis zu fünf Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner. Damit gehören die Neubildungen zu den seltenen Erkrankungen. Wie bei vielen Tumoren steigt die Erkrankungsrate mit dem Alter an. Zudem sorgen Fortschritte in der Medizintechnik dafür, dass Krebs heute besser detektiert werden kann.
Klassifikation und Eigenschaften der NET
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilt NET in verschiedene Gruppen bzw. drei Grade ein. Diese Einteilung basiert auf der Proliferationsrate (Wachstumsgeschwindigkeit), die durch Messung der sich teilenden Tumorzellen bestimmt wird.
Grad 1 und 2: Diese Tumore haben eine niedrige bis moderate Wachstumsgeschwindigkeit mit weniger als einem Fünftel der Zellen in der Zellteilung. Sie machen einen großen Anteil der NET aus.
Grad 3: Diese Tumore haben eine hohe Wachstumsgeschwindigkeit. Sie verhalten sich aggressiver und erfordern eine intensivere Behandlung.
Eine weitere wichtige Unterscheidung erfolgt zwischen funktionellen und nicht-funktionellen NET. Funktionelle Tumore schütten große Mengen von Hormonen aus und verursachen dadurch eine Reihe von Symptomen. Nicht-funktionelle Tumore produzieren keine Hormone, weshalb Beschwerden oft erst dann entstehen, wenn eine bestimmte Größe erreicht ist.
Symptome und klinische Manifestation neuroendokriner Tumore
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Im Anfangsstadium verursachen NET oft keine oder nur unspezifische Symptome.
- Funktionelle Tumore machen sich durch eine veränderte Hormonproduktion bemerkbar.
- Ein hormonell inaktiver Tumor fällt durch Druck auf das Gewebe auf.
Im Anfangsstadium verursacht ein NET häufig noch keine Symptome. In dieser Phase entdeckte Neubildungen sind daher meist Zufallsbefunde. Zudem wird die Diagnosestellung dadurch erschwert, dass ein Teil der Tumore generell keine nachweisbaren Hormone ausschüttet. Der Anteil dieser nicht-funktionellen NET variiert je nach Organsystem, kann aber bis zu mehr als die Hälfte der Fälle ausmachen. Vor diesem Hintergrund ist es bei Diagnosestellung der Regelfall, dass der Tumor bereits metastasiert, also andere Organe befallen hat.
Symptome nicht-funktioneller Tumore
Nicht-funktionelle NET verursachen häufig erst dann Beschwerden, wenn der Tumor wächst und auf benachbartes Gewebe und Organe drückt, oder sie verdrängt. Je nach Lage und betroffenem Organ können verschiedene Beschwerden auftreten, unter anderem
- Bauchschmerzen und Verdauungsbeschwerden,
- Übelkeit,
- Erbrechen,
- Appetitlosigkeit,
- ungewollter Gewichtsverlust,
- Müdigkeit,
- Abgeschlagenheit.
Diese Symptome sind sehr unspezifisch (entsprechen teilweise der B-Symptomatik bei Krebserkrankungen) und können auch mit anderen Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. Daher hat die Differenzialdiagnostik in diesem Fall eine besonders hohe Bedeutung.
Funktionelle Tumore und Hormonsyndrome
Setzt ein NET Hormone oder hormonähnliche Botenstoffe frei, spricht man von einem „funktionell aktiven neuroendokrinen Tumor“. Je nach Art des ausgeschütteten Hormons sind unterschiedliche Symptome möglich.
Bildet ein neuroendokriner Tumor den Botenstoff Serotonin, kann ein Karzinoid-Syndrom entstehen. Zu den typischen Symptomen gehören Flush (plötzliche Hautrötung, besonders im Gesicht), schwere Durchfälle, Atemnot (Dyspnoe) und Herzrasen.
Durch die Ausschüttung des Stoffs besteht außerdem das Risiko, eine schwere Schocksymptomatik zu entwickeln. Sofern es sich um einen Insulin-produzierenden Tumor handelt (Insulinom), ist eine gesteigerte Produktion des für den Glucosestoffwechsel wichtigen Stoffs zu erkennen, Betroffene entwickeln Anzeichen einer Hypoglykämie (Unterzuckerung), die sich unter anderem durch Schwitzen, Herzklopfen oder -rasen, Heißhunger, Sprach- und Sehstörungen und Krampfanfälle bemerkbar machen kann.
Eine Hinweis auf Phäochromozytome (Tumor im Nebennierenmark) sind Schwankungen des Blutdrucks. Ein Gastrin produzierendes Gastrinom bewirkt hingegen eine übermäßige Produktion von Magensäure, was Geschwüre in Magen und Zwölffingerdarm mit den typischen Symptomen (wie Reflux) nach sich zieht.
Mehr über LifeLink
Finden Sie jetzt die
Praxis in Ihrer Nähe!
Wir sind überzeugt, dass die Medizin von morgen anders aussehen sollte. Wir sehen den Menschen im Mittelpunkt exzellenter Medizin.
Nuklearmedizinische Diagnostik bei Verdacht auf einen neuroendokrinen Tumor
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Die Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung ist ein sensitives Verfahren zum Nachweis von NET.
- Die nuklearmedizinische Diagnostik ermöglicht eine präzise Tumorlokalisation und Therapieplanung.
- Mit Lutetium-177 markierte Stoffe ermöglichen eine gezielte Bestrahlung der Tumorzellen.
Erste diagnostische Hinweise auf einen NET können bestimmte Hormonmarker wie pathologisch veränderte Insulinwerte sein. Eine zentrale Rolle bei der Abklärung eines Verdachts auf einen NET spielen bildgebende Verfahren. Dabei nehmen nuklearmedizinische Verfahren mit radioaktiv markierten Substanzen eine Schlüsselrolle ein. Diese Marker binden sich an gewisse Oberflächenproteine bzw. Rezeptoren und reagieren damit sensitiv auf NET.
Eine bedeutende nuklearmedizinische Möglichkeit ist die Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung. Das Verfahren macht sich das Vorhandensein der Rezeptoren für Somatostatin zunutze. Durch die Markierung der Liganden (Stoffe, die an den Rezeptor andocken können) mit radioaktiven Elementen kann deren Verteilung mit Gammakameras aufgezeichnet werden.
In Kombination mit Verfahren aus der Radiologie (zum Beispiel der Computertomographie (CT) ist eine präzise strukturelle Analyse möglich. Dieser Ansatz – das SSTR-PET-CT-Verfahren – bietet im Vergleich zur Szintigraphie Vorteile. Dazu gehört die bessere Auflösung der Bilder. In Kombination mit einer hohen Sensitivität gegenüber den NET erreicht die Methode somit eine bessere Bildqualität, was insbesondere für die Erkennung kleinerer Tumore und Metastasen vorteilhaft ist.
Gerade bei schlecht differenzierten neuroendokrinen Karzinomen, die aber eine hohe Zellteilungsaktivität zeigen, können die „klassischen“ Diagnostikverfahren an Grenzen kommen. Hier kann die 18F-FDG-PET (Fluordesoxyglucose, eine radioaktiv markierte Form von Traubenzucker) eine Alternative sein. Diese basiert auf dem erhöhten Zuckerumsatz von Tumorzellen. Eine weitere Methode ist die MIBG-Szintigraphie, bei der Marker zum Einsatz kommen, die besonders auf Phäochromozytome und Neuroblastome ansprechen.
Nuklearmedizinische Therapie neuroendokriner Tumore
Für die Behandlung von NET stehen verschiedene Optionen zur Verfügung, die neben der Resektion – also der Entfernung des Tumorgewebes – auch die Chemotherapie und den Einsatz verschiedener Inhibitoren (können das Wachstum des Tumors beeinträchtigen oder den programmierten Zelltod auslösen) umfassen. Als nuklearmedizinische Therapie hat sich die Radio-Peptid-Rezeptor-Therapie (PRRT) bewährt. Diese setzt auf Rezeptoren wie den Somatostatin-Rezeptor (SSTR).
Anders als in der Diagnostik werden jedoch keine Marker mit den Somatostatin-Analoga (Substanzen, die an den Rezeptor binden) verbunden, sondern Strahlungsquellen (zum Beispiel Lutetium-177), welche das umliegende Tumorgewebe zerstören. Aufgrund der hohen Teilungsrate sind die Krebszellen empfindlicher und lassen sich durch diese (räumlich stark begrenzt wirkende Strahlung) schädigen. Diese Behandlung wird normalerweise in mehreren Zyklen durchgeführt.
Fazit: Die Nuklearmedizin spielt in der Diagnostik und Behandlung von NET eine zentrale Rolle
NET stellen aufgrund ihrer Seltenheit und Komplexität besondere Anforderungen an die Diagnostik. Die Nuklearmedizin bietet mit der Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung und der PRRT zwei Optionen zur Erkennung von NET an und spielt auch im Rahmen der Behandlung eine wichtige Rolle. Durch die Bindung an den SSTR reagieren die Verfahren in ihren Bereichen sensitiv. Zusätzlich kann die FDG-PET-Untersuchung bei Tumoren eingesetzt werden, die sich anderen Methoden entziehen, um durch eine rechtzeitige Diagnosestellung und Behandlung die Prognose zu verbessern.
FAQ zu neuroendokrinen Tumoren: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Sind alle neuroendokrinen Tumore gleich gefährlich?
Nicht alle NET sind bösartig. Die WHO-Klassifikation unterscheidet zwischen gut differenzierten neuroendokrinen Tumoren (Grad 1 und 2), die meist langsam wachsen, und schlecht differenzierten neuroendokrinen Karzinomen (Grad 3), die aggressiver verlaufen. Gerade Tumore mit einem niedrigen Ki67-Wert (Protein-Marker für die Zellproliferation) wachsen sehr langsam und fallen als niedrig-maligne Raumforderungen unter Grad 1.
Wohin streut ein neuroendokriner Tumor?
NET zeigen charakteristische Metastasierungsmuster, die stark von ihrer Lokalisation abhängen. Gastroenteropankreatische NET streuen bevorzugt in die Leber, da venöses Blut aus dem Verdauungstrakt zunächst die Leber passiert. Lungenmetastasen treten ebenfalls häufig auf, besonders bei fortgeschrittenen Stadien. Knochenmetastasen entwickeln sich seltener, können aber bei aggressiveren Varianten vorkommen. Lymphknotenmetastasen treten regional auf.
Wie hoch ist die Lebenserwartung bei einem NET?
Die Lebenserwartung bei neuroendokrinen Tumoren variiert erheblich je nach Tumorgrad, Lokalisation und Ausbreitung. Gut differenzierte NET (Grad 1) haben eine vergleichsweise hohe Fünf-Jahres-Überlebensrate, während die Prognose bei schlecht differenzierten neuroendokrinen Tumoren (Grad 3) bei unter 50 Prozent liegen kann [2]. Bei frühzeitig lokalisierten Tumoren sind die Heilungschancen grundsätzlich besser.