MR-geführte Strahlentherapie: Echtzeit-Bildgebung während der Bestrahlung
Die MR-geführte Strahlentherapie (MRgRT, Magnetic Resonance-guided Radiotherapy) kombiniert die gute Weichteildarstellung der Magnetresonanztomographie (MRT) mit der Strahlentherapie und bietet damit einen neuen Ansatz für die Behandlung von Krebspatienten. Durch die Möglichkeit der Echtzeit-Bildgebung ist es Ärzten möglich, während der laufenden Bestrahlung anatomische Veränderungen zu erkennen und den Behandlungsplan sofort anzupassen.
Besonders Tumore, die stark beweglich sind oder von Organbewegungen beeinflusst werden, lassen sich durch die Möglichkeit der Bildführung in Zukunft noch zielgerichteter behandeln. Die Stärke der MR-geführten Strahlentherapie liegt in ihrer Eigenschaft, die Bilder ohne Strahlenbelastung für den Patienten zu erzeugen und die kritischen Bereiche für die Behandlung noch schärfer abzugrenzen.

Was ist die MR-geführte Strahlentherapie?
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Die MR-geführte Strahlentherapie kombiniert Linearbeschleuniger mit MRT-Bildgebung.
- Durch das Verfahren sind Anpassungen des Bestrahlungsplans möglich.
- Mittels spezieller Protokolle lässt sich eine Echtzeit-Bildgebung realisieren.
Bei der MRT-geführten Strahlentherapie handelt es sich um ein Verfahren der adaptiven Strahlentherapie, das auf radiologische Bildgebung setzt. Dazu werden Linearbeschleuniger (Linac, Linear Accelerator) mit einem MRT-Scanner kombiniert. Dank dieser Zusammenführung unterschiedlicher Technologien wird es möglich, während der Bestrahlungssitzung hochauflösende MRT-Bilder zu erstellen. Zum Einsatz kommen Systeme mit unterschiedlichen Magnetfeldstärken – als Niedrigfeld- oder Hochfeld-Systeme (mit 1,5 Tesla).
Die Möglichkeit der Echtzeit-Bildgebung ist ein zentraler Unterschied zu anderen bildgeführten Strahlentherapien, bei denen nur vor der Behandlung Planungsbilder aufgenommen oder zwischen bzw. vor einzelnen Sitzungen eine radiologische Überprüfung der Strukturen vorgenommen wird. Die kontinuierliche MRT-Überwachung erlaubt es, anatomische Bewegungen durch Atmung, Herzschlag oder Organfüllung in Echtzeit zu verfolgen und darauf zu reagieren. Damit ist eine adaptive Bestrahlungsplanung realisierbar, bei der Ärzte den ursprünglichen Behandlungsplan an die aktuellen anatomischen Verhältnisse anpassen.
Technische Besonderheiten der MR-Linac-Systeme
Die Kombination von MRT und Linearbeschleuniger bringt für die Entwicklung der Geräte und Behandlungsprotokolle besondere technische Herausforderungen mit sich. Das starke Magnetfeld beeinflusst über die Lorentz-Kraft Elektronenbahnen der Strahlung und damit die Dosisverteilung, was spezielle Berechnungsalgorithmen erforderlich macht. Moderne Systeme berücksichtigen diese magnetfeldinduzierten Effekte über spezielle Algorithmen in der Behandlungsplanung. Hierdurch können Unterschiede in der Bildqualität der MR-Linac-Systeme im Vergleich zu MRT-Scannern entstehen (die Ausdruck der technischen Kompromisse im Hinblick auf die Strahlenerzeugung sind).
Klinische Anwendungen der MR-geführten Strahlentherapie
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Studien untermauern die Vorteile bei der Behandlung komplexer Tumore.
- Die Bildführung verbessert die Dosiswirkung bei zentralen Lungentumoren.
- Mit der MR-geführten Strahlentherapie lassen sich unter anderem Pankreastumore behandeln.
Die MR-geführte Strahlentherapie bietet für die Behandlung in verschiedenen anatomischen Regionen besondere Vorteile. Klinische Studien beschäftigen sich aktuell intensiv mit der Verbesserung der Therapieergebnisse durch die Echtzeit-Bildführung bei beweglichen Organen und in anatomisch komplexen Situationen. Ein Beispiel dafür ist die Stereotactic Magnetic Resonance-guided Adaptive Radiation Therapy (SMART), welche in einer Studie bei 101 Patienten mit Oligometastasen (Tumor, der bisher wenige Metastasen gebildet hat) im Bauch-/Beckenraum auf die Machbarkeit und Vorteile hin untersucht wurde. Im Rahmen der Studie wurden die Bedeutung und der Nutzen (im Hinblick auf eine gezieltere Wirkung der Strahlendosis) der adaptiven Behandlungsplanung deutlich [1].
Geringere Nebenwirkungen bei der Behandlung von Prostatakarzinomen
Die MR-geführte Strahlentherapie erreicht durch die Bildkontrolle nicht nur eine bessere Wirkung der Strahlendosis bei beweglichen bzw. veränderlichen Organen und Tumoren. Die Methode zeigt in Studien – zum Beispiel bei der Behandlung von Prostatakarzinomen – dass eine niedrige Inzidenz hinsichtlich gastrointestinaler und urogenitaler Strahlentoxizität erreicht werden kann [2]. Durch die gute Weichteildarstellung der MRT ist eine genauere Abgrenzung der Prostata von umliegenden Strukturen wie dem Rektum und der Blase möglich, was eine präzisere Berechnung der Zieldosis anhand des Planungsvolumens ermöglicht. Auf diese Weise ist eine Schonung des gesunden Gewebes bei optimierter Dosierung im Tumorvolumen möglich.
Verbesserung der Prognose beim Pankreaskarzinom
Die relative Fünf-Jahres-Überlebensrate beim Pankreaskarzinom ist mit elf Prozent im Vergleich mit anderen Tumoren vergleichsweise gering, was Bauchspeicheldrüsenkrebs zu einem schwierig zu behandelnden Tumor macht. Im Rahmen einer Studie zur MR-geführten Strahlentherapie zeigten sich vielversprechende Ergebnisse bezüglich der Behandlung von Bauchspeicheldrüsentumoren mit grenzwertiger Resektabilität bzw. lokal fortgeschrittenen Pankreaskarzinomen. Im Zwei-Jahres-Zeitraum betrug die Überlebensrate nach einer Therapie mit fünf Fraktionen 53,6 Prozent ab Diagnosestellung und 40,5 Prozent ab Beginn der SMART-Behandlung [3].
Behandlung von Lungentumoren
Lungenkrebs stellt aufgrund der Atembewegungen und seiner Lage sowie wegen gemeinsam auftretender Erkrankungen eine mitunter herausfordernde Diagnose dar. Die MR-geführte Strahlentherapie ermöglicht diesbezüglich neue Behandlungsansätze und zeigt in Studien, dass hohe Einzeldosen verabreicht werden können – trotz der unmittelbaren Nähe zu kritischen Strukturen wie den Bronchien oder großen Gefäßen. Hinsichtlich der Langzeitwirkung im Rahmen der Fünf- oder Zehn-Jahres-Überlebensrate sind jedoch noch weitere Beobachtungen erforderlich [4].
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Vorteile gegenüber der konventionellen Strahlentherapie
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Die Bildführung lässt Veränderungen zwischen den einzelnen Behandlungssitzungen erkennen.
- Die Ergebnisse der MR-Bildführung erlauben direkte Reaktionen auf Organverschiebungen.
- Funktionelle Sequenzen können in die Bildgebung eingebunden werden.
Mit der MR-geführten Strahlentherapie steht der Medizin ein vielversprechender Ansatz für die Behandlung von Krebspatienten zur Verfügung – gerade wenn funktionale Aspekte (wie zum Beispiel die Atembewegung) zu berücksichtigen sind und eine entsprechende Anpassung erforderlich ist. Zu den Vorteilen gehört die Möglichkeit der direkten Anpassung der Bestrahlung an Veränderungen, die sich seit der letzten Behandlungssitzung – beispielsweise durch Organverschiebungen oder therapiebedingte Tumorschrumpfung – ergeben haben. Durch die Echtzeit-Bildgebung ist eine Überwachung der Bewegungen während der Behandlung möglich, was Korrekturen bzw. die Pausierung der Bestrahlung ermöglicht.
Darüber hinaus ist eine genaue Bestimmung der Sicherheitssäume um das Zielvolumen möglich und deren Reduzierung auf das therapeutisch relevante Maß möglich, wodurch sowohl das umgebende gesunde Gewebe geschont als auch die Dosis zur Bekämpfung des Tumors eskaliert werden kann. Zudem lassen sich mit der MRT funktionelle Parameter zum Beispiel über die Diffusionsgewichtung (DWI, Diffusion Weighted Imaging) integrieren, um damit eine individuelle Dosisanpassung zu erreichen.
Fazit: MR-geführte Strahlentherapie kann Ergebnisse bei komplexen Tumoren verbessern
Mit der MR-geführten Strahlentherapie steht für die Krebsbehandlung ein Kombinationsverfahren zur Verfügung, dessen Potenzial im Rahmen verschiedener Studien bewertet wurde. Dabei kristallisiert sich heraus, dass unter anderem die hochauflösende Weichgewebedarstellung zu einer Verbesserung der Behandlungsergebnisse bei verschiedenen Tumorerkrankungen führt. Eine präzise Abgrenzung von gesundem Gewebe und die Möglichkeit der Kontrolle in Echtzeit erlauben die Anwendung optimierter Strahlendosierungen im Tumor bei umfassenderer Schonung des gesunden Gewebes.
FAQ zur MR-geführten Strahlentherapie: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Für welche Patienten ist die MR-geführte Strahlentherapie geeignet?
Die MR-geführte Strahlentherapie eignet sich für Patienten mit Tumoren in beweglichen Organen oder in unmittelbarer Nähe zu strahlenempfindlichen Strukturen. Typische Anwendungsfälle können Prostata-, Pankreas- und zentral gelegene Lungentumore sein. Aktuell wird die Anwendbarkeit der Methode im Rahmen verschiedener Studien untersucht.
Ist die Echtzeit-Bildgebung für alle Krebspatienten verfügbar?
Nein, es handelt sich um ein relativ junges Behandlungsverfahren, welches den Einsatz spezieller Geräte mit einer kombinierten Bildgebung und Bestrahlung voraussetzt. Diese sind bisher nicht in allen radiologischen Einrichtungen verfügbar.
Kann die MR-geführte Strahlentherapie nebenwirkungsfrei ausgeführt werden?
Grundsätzlich besteht bei jeder Behandlung das Risiko des Eintritts von Nebenwirkungen. Diese können sich aus der Strahlentoxizität ergeben. Die verschiedenen Studien deuten allerdings darauf hin, dass dieser Aspekt bei einer MR-geführten Strahlentherapie weniger stark ins Gewicht fällt.
[1] Yang DD, Brennan VS, Huynh E, Williams CL, Han Z, Ampofo N, Vastola ME, Sangal P, Singer L, Mak RH, Leeman JE, Cagney DN, Huynh MA. Stereotactic Magnetic Resonance-Guided Adaptive Radiation Therapy (SMART) for Abdominopelvic Oligometastases. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2022 Dec 1;114(5):941-949. doi: 10.1016/j.ijrobp.2022.05.016. Epub 2022 May 19. PMID: 35598799.
[2] Bruynzeel AME, Tetar SU, Oei SS, Senan S, Haasbeek CJA, Spoelstra FOB, Piet AHM, Meijnen P, Bakker van der Jagt MAB, Fraikin T, Slotman BJ, van Moorselaar RJA, Lagerwaard FJ. A Prospective Single-Arm Phase 2 Study of Stereotactic Magnetic Resonance Guided Adaptive Radiation Therapy for Prostate Cancer: Early Toxicity Results. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2019 Dec 1;105(5):1086-1094. doi: 10.1016/j.ijrobp.2019.08.007. Epub 2019 Aug 13. PMID: 31419510.
[3] Chuong MD, Lee P, Low DA, Kim J, Mittauer KE, Bassetti MF, Glide-Hurst CK, Raldow AC, Yang Y, Portelance L, Padgett KR, Zaki B, Zhang R, Kim H, Henke LE, Price AT, Mancias JD, Williams CL, Ng J, Pennell R, Raphael Pfeffer M, Levin D, Mueller AC, Mooney KE, Kelly P, Shah AP, Boldrini L, Placidi L, Fuss M, Jitendra Parikh P. Stereotactic MR-guided on-table adaptive radiation therapy (SMART) for borderline resectable and locally advanced pancreatic cancer: A multi-center, open-label phase 2 study. Radiother Oncol. 2024 Feb;191:110064. doi: 10.1016/j.radonc.2023.110064. Epub 2023 Dec 20. PMID: 38135187.
[4] Finazzi T, Haasbeek CJA, Spoelstra FOB, Palacios MA, Admiraal MA, Bruynzeel AME, Slotman BJ, Lagerwaard FJ, Senan S. Clinical Outcomes of Stereotactic MR-Guided Adaptive Radiation Therapy for High-Risk Lung Tumors. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2020 Jun 1;107(2):270-278. doi: 10.1016/j.ijrobp.2020.02.025. Epub 2020 Feb 24. PMID: 32105742.