Adaptive Strahlentherapie: Vorteile einer täglich angepassten Tumorbehandlung
Bei der adaptiven Strahlentherapie (Adaptive Radiation Therapy, ART) handelt es sich um ein Verfahren, das neue Impulse für onkologische Behandlungen verspricht. Die Vorteile der Methode beruhen darauf, nicht wie herkömmliche Strahlentherapien mit nur einer Planungsaufnahme zu arbeiten, sondern über den wiederholten Einsatz der Bildgebung eine Anpassung des Bestrahlungsplans an die sich verändernde anatomischen Bedingungen auf Seiten des Patienten zu ermöglichen.
Damit verbessert sich die Präzision einer Tumorbehandlung und es werden Risiken für das gesunde Gewebe verringert. In der Strahlentherapie haben sich in diesem Zusammenhang zwei unterschiedliche Ansätze etabliert: Die Online-ART, bei der eine kontinuierliche Anpassung im Rahmen der Bestrahlungssitzungen (vor der eigentlichen Strahlenanwendung) erfolgt, und die Offline-ART mit einer Kontrollbildgebung außerhalb der Bestrahlungseinheiten.
Die technischen Grundlagen der adaptiven Strahlentherapie
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Das Behandlungsverfahren kombiniert Bestrahlung und Bildgebung miteinander.
- Durch due Anwendung radiologischer Methoden kann der Bestrahlungsplan kontinuierlich angepasst werden.
- In der Bildauswertung kommt zur Beschleunigung auch KI zum Einsatz.
Die adaptive Strahlentherapie nutzt Bestrahlungsgeräte (Linearbeschleuniger, LINAC), die mit bildgebenden Verfahren kombiniert werden. Die dazu verwendeten technischen Systeme lassen sich mit den bildgebenden Verfahren der Computertomographie (CT), der Magnetresonanztomographie (MRT) oder der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kombinieren. Die dabei entstehenden Hybridgeräte ermöglichen es, unmittelbar vor oder während einer Behandlungssitzung aktuelle Bilder der Tumorregion zu erstellen. Speziell die Online-ART befindet sich aktuell noch in einer Phase intensiver praktischer Evaluierung hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten am Patienten. Zwei Ansätze werden in diesem Zusammenhang besonders umfassend betrachtet.
CT-gestützte adaptive Systeme
Adaptive Systeme müssen in der Lage sein, innerhalb einer kurzen Zeitspanne die nötigen Informationen zur Tumorlage und deren Veränderungen sowie Verschiebungen der Organe aus der Bildgebung zu gewinnen. Die CT arbeitet entsprechend schnell und wird daher in neue Systeme zur Online-ART eingebunden (zum Beispiel im Ethos-System/Varian). Das Ziel ist eine zügige Aufnahme des Bestrahlungsgebiets sowie die Auswertung der Aufnahmen – gegebenenfalls auch mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) – und die Entwicklung eines neuen Bestrahlungsplans. Dank der schnellen Bildakquisition kann das Verfahren präzise Informationen liefern und in die für den Patienten optimale Strahlentherapie übersetzen, um so die Behandlungszeit zu verbessern.
MRT-geführte adaptive Systeme
Ein weiterer Ansatz ist die Verwendung der MRT-gestützten Bildgebung. Mithilfe der MRT-Einheit, die in der Darstellung einen hohen Weichteilkontrast erreicht, werden das Zielgebiet für die Bestrahlung und Risikoorgane abgebildet, um einen besseren Behandlungsstandard in der personalisierten Strahlentherapie zu erreichen. Auf diese Weise lässt sich mit dem Verfahren die Strahlendosis optimieren. Zugleich ist es aber aufgrund des starken Magnetfeldes mit besonderen technischen Herausforderungen verbunden.
Klinische Anwendungsbereiche und Indikationen
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Die adaptive Strahlentherapie eignet sich bei Tumoren, die von der Bewegung verschiedener Hohlorgane beeinflusst werden.
- In Studien wird unter anderem das Ansprechen von Pankreaskarzinomen untersucht.
- Die Methode hat Potenzial bei der Behandlung von Prostatakrebs.
Die adaptive Strahlentherapie ist ein noch sehr junger Behandlungsansatz in der Radioonkologie, der aktuell Gegenstand intensiver Forschungsarbeiten hinsichtlich verschiedener Anwendungsfälle ist, unter anderem der Behandlung von Kopf- und Nackentumoren [1]. Besonders vielversprechend ist das Verfahren bei Tumorerkrankungen, bei denen aufgrund der anatomischen Verhältnisse zwischen den einzelnen Bestrahlungssitzungen mit Lageveränderungen zu rechnen ist.
Karzinome von Prostata und Harnblase
Von einer kontinuierlichen Überprüfung der anatomischen Lage von Organen und Tumoren profitieren zum Beispiel Patientinnen mit gynäkologischen Karzinomen sowie an Prostatakrebs oder Harnblasenkrebs Erkrankte. Es handelt sich dabei um von Tumoren befallene Organe, bei denen die Füllung von Blase und Darm die Lage beeinflusst. So zeigen Studien, dass sich mithilfe der adaptiven Strahlentherapie bei Prostatakarzinomen die Toxizitätsprofile (die Strahlentherapie kann unter anderem zu Hautveränderungen, Schleimhautentzündungen oder gastrointestinalen Beschwerden führen) positiv beeinflussen lassen und damit die negativen Auswirkungen einer Bestrahlung mit nur einer Planungsaufnahme verbessert werden können [2].
Gynäkologische Malignome
Die Anwendung der adaptiven Strahlentherapie erweist sich auch bei der Behandlung von gynäkologischen Tumoren als vielversprechend. Hintergrund: In Abhängigkeit vom Füllungszustand der Hohlorgane können sich die Beckenorgane – und mit ihnen ein dort sitzender Tumor – im Vergleich zur Planungsaufnahme verschieben, was letztlich zu unerwünschten Dosisänderungen im bestrahlten Zielgewebe führt.
Abdominelle und thorakale Tumore
Gerade im Bauchraum und dem Bereich des Thorax (Lunge, Bronchien und Speiseröhre) können auf der Bewegung und Füllung des Darms sowie der Atembewegung basierende Lageänderungen zur Herausforderung für eine onkologische Behandlung werden. Mithilfe der adaptiven Strahlentherapie und dem Atemgating können Ärzte die Wirksamkeit der Strahlendosis optimieren, wovon beispielsweise Patienten mit einem inoperablen Karzinom der Bauchspeicheldrüse profitieren [3]. Die bisherigen Erfahrungen mit der adaptiven Strahlentherapie deuten zudem auch auf positive Impulse für die Behandlung von Lungenkrebs hin [4].
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Vorteile und therapeutischer Nutzen der adaptiven Strahlentherapie
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Die adaptive Strahlentherapie ermöglicht die Anwendung höherer Bestrahlungsdosen bei gleichzeitiger Schonung des gesunden Gewebes.
- Durch die strukturelle Kontrolle mittels bildgebender Verfahren lassen sich die Nebenwirkungen gering halten.
- Die Dosisoptimierung kann zur Verkürzung der Therapiesitzungen führen.
Aufgrund der Möglichkeit der fortlaufenden Abgrenzung von Risikoorganen und Tumoren bietet die adaptive Strahlentherapie gegenüber konventionellen Verfahren mehrere Vorteile.
- Präzision und Dosiseskalation: Mit dem Verfahren lässt sich ein Tumor durch die Reaktion auf Veränderungen noch exakter behandeln und gleichzeitig die Dosis für das umliegende gesunde Gewebe reduzieren. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Dosiseskalation, um im Bereich des Tumors eine bessere Wirkung auf die Krebszellen zu erzielen (ohne dabei umliegendes Gewebe zu zerstören).
- Reduktion von Nebenwirkungen: Mit der höheren Präzision der Bestrahlung geht eine Dosisoptimierung und eine Verringerung von Nebenwirkungen bzw. Komplikationen einher. Für die Bewertung der Langzeitwirkung fehlt es derzeit allerdings noch an entsprechenden Studien.
- Verbessertes Zeitmanagement: Durch die Kombination von Bildgebung mit KI-gesteuerter Auswertung und der automatischen Anpassung der Bestrahlung entsteht eine Effizienzsteigerung, die die Optimierung des erforderlichen Zeitkontingents (je nach Indikation eine kürzere Behandlungszeit durch eine geringere Anzahl an Sitzungen) ermöglicht [5].
Fazit: Bessere Behandlungsergebnisse bei Tumoren dank adaptiver Strahlentherapie
Durch die Kombination bildgebender Verfahren mit der Strahlentherapie in einem Gerät steht ein Behandlungsverfahren zur Verfügung, das eine Überprüfung der Lage der Organe und Tumore vor jeder einzelnen Therapiesitzung erlaubt. Damit verbunden sind die Vorteile der Verringerung von Nebenwirkungen und der Optimierung der wirksamen Dosis. Allerdings steht das Verfahren erst am Anfang, da die notwendigen Hybridgeräte bisher noch nicht in größeren Stückzahlen für personalisierte Krebstherapien verfügbar sind.
FAQ zur adaptiven Strahlentherapie: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Ist die adaptive Strahlentherapie schmerzhaft oder belastender als eine herkömmliche Bestrahlung?
Im Vergleich zur herkömmlichen Strahlentherapie ist die adaptive Strahlentherapie nicht schmerzhafter. Vielmehr wird durch die mit ihr verbundenen Optimierungen eine Verringerung der Nebenwirkungen erreicht. Da die einzelnen Sitzungen aus einer Bildaufnahme, deren Auswertung und der Bestrahlung selbst bestehen, sollte jedoch etwas mehr Zeit eingeplant werden.
Kann ich während einer adaptiven Strahlentherapie Medikamente einnehmen?
Die Einnahme von Arzneimitteln während der adaptiven Strahlentherapie ist grundsätzlich möglich und folgt den Prinzipien bei konventioneller Bestrahlung. Wichtig ist, die Medikation mit dem behandelnden Arzt genau zu besprechen, da bestimmte Wirkstoffe die Strahlenempfindlichkeit des Gewebes beeinflussen oder die Wirkung der Therapie verstärken bzw. abschwächen können.
Macht die adaptive Strahlentherapie eine Nachsorge erforderlich?
Ja, auch nach einer adaptiven Strahlentherapie müssen Patienten weiterhin betreut werden. Dabei geht es sowohl um die Überwachung auf mögliche Nebenwirkungen hin als auch um die Überprüfung des Therapieverlaufs. Die exakte Planung der Nachsorge richtet sich nach der Tumorart, dem Tumorstadium und dem individuellen Risikoprofil.
[1] Aristophanous M, Aliotta E, Lichtenwalner P, Abraham S, Nehmeh M, Caringi A, Zhang P, Hu YC, Zhang P, Cervino L, Gelblum D, McBride S, Riaz N, Chen L, Yu Y, Zakeri K, Lee N. Clinical Experience With an Offline Adaptive Radiation Therapy Head and Neck Program: Dosimetric Benefits and Opportunities for Patient Selection. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2024 Aug 1;119(5):1557-1568. doi: 10.1016/j.ijrobp.2024.02.016. Epub 2024 Feb 17. PMID: 38373657; PMCID: PMC11636647.
[2] Stando R, Chmielewski G. MR-guided radiotherapy for prostate cancer: an inevitable transition? Curr Opin Urol. 2025 Sep 1;35(5):562-567. doi: 10.1097/MOU.0000000000001315. Epub 2025 Jul 4. PMID: 40620056.
[3] Reyngold M, O’Reilly EM, Varghese AM, et al. Association of Ablative Radiation Therapy With Survival Among Patients With Inoperable Pancreatic Cancer. JAMA Oncol. 2021;7(5):735–738. doi:10.1001/jamaoncol.2021.0057
[4] Piperdi H, Portal D, Neibart SS, Yue NJ, Jabbour SK, Reyhan M. Adaptive Radiation Therapy in the Treatment of Lung Cancer: An Overview of the Current State of the Field. Front Oncol. 2021 Nov 29;11:770382. doi: 10.3389/fonc.2021.770382. PMID: 34912715; PMCID: PMC8666420.
[5] DocMedicus Verlag, Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) – Strahlentherapie, online verfügbar unter: Link (Datum des letzten Zugriffs: 25.08.2025).