Molekulare Bildgebung: Wenn Radiologie auf Zellebene diagnostiziert
Die Medizin hat in den letzten Jahren sowohl auf der diagnostischen als auch der therapeutischen Ebene erhebliche Fortschritte gemacht. Gerade die Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) ermöglichen als bildgebende Verfahren eine strukturelle Bewertung verschiedener Pathologien.
Um Erkrankungen im Bereich der Onkologie oder Endokrinologie sicher zu diagnostizieren, gibt es in der Radiologie und der Nuklearmedizin inzwischen Methoden, mit denen sich die Bildgebung bereits auf die molekulare Ebene fokussiert. Dazu werden unter anderem Radiotracer (radioaktiv markierte Substanzen) verwendet, die sich an spezifische Strukturen in Zellen binden und somit zur Darstellung von Stoffwechselprozesse, Rezeptorverteilungen oder zellulären Aktivitäten verwendet werden können.

Die Grundlagen der molekularen Bildgebung
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Mit bildgebenden Verfahren werden Stoffwechselprozesse und Zellfunktionen sichtbar gemacht.
- Radioaktive Tracer binden an spezifische Zellstrukturen oder Rezeptoren.
- Mit diesem Verfahren kann unter anderem das Zellwachstum beobachtet werden.
Ein wesentlicher Ansatz der molekularen Bildgebung sind unterschiedliche Verteilungsmuster verschiedener Moleküle, Proteine und Zellstrukturen in gesunden und pathologischem (kranken) Geweben. Diese Strukturen lassen sich mithilfe spezieller Methoden der Radiologie und Nuklearmedizin darstellen. Die Besonderheit: Anders als eine herkömmliche MRT-Untersuchung, die nur eine strukturelle Bewertung erlaubt, können mit Radiotracern und speziellen MRT-Aufnahmetechniken – wie diffusionsgewichteten MR-Sequenzen (diffusion-weighted imaging, DWI) oder 23Na-MRT (detektiert die Natriumkonzentration, die durch tumoröse Zellschädigungen ansteigt) – auch funktionelle Aspekte bewertet werden.
Dies ermöglicht es, das Zellwachstum, die Bildung neuer Blutgefäße im Tumorgewebe oder Durchflussparameter ermitteln zu können. Dank der Nutzung spezieller molekularer Parameter reagieren die Verfahren in diesem Zusammenhang sehr sensitiv, was die multiparametrische und molekulare Bildgebung zu einem wichtigen diagnostischen Instrument macht.
Neben spezifischen MR-Sequenzen spielt in der Betrachtung krankhafter Prozesse gerade die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) eine wichtige Rolle. Hintergrund: Im Rahmen verschiedener PET-Untersuchungen wird mit radioaktiven Isotopen gearbeitet, deren Zerfall mit Gammakameras aufgezeichnet wird. Durch die Verbindung der Isotope mit spezifischen Trägermolekülen entstehen Radiotracer, die auf verschiedene Stoffwechselvorgänge sensitiv reagieren und sich beispielsweise in Regionen mit einem erhöhten Glukoseumsatz oder spezifischen Rezeptoren konzentrieren.
Verfahren der molekularen und multiparametrischen Bildgebung
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Nuklearmedizinische und radiologische Verfahren verbindende Kombinationsuntersuchungen verbessern die Diagnostik.
- Die Hochfeld-MRT erlaubt eine bessere Auflösung.
- Spezifische Sequenzen können auf molekulare Verteilungsmuster ansprechen.
In der Radiologie kommt heute ein breites Spektrum verschiedener Untersuchungsmethoden zur Anwendung. Zu den Vorteilen der Bildgebung gehört, dass viele Verfahren belastungsarm durchführbar sind. Der Ultraschall (Sonographie) kommt komplett ohne Strahlung aus und liefert Bilder in Echtzeit. Allerdings wird die Auflösung der Bilder bei tiefer liegenden Organen schlechter. Die molekulare Bildgebung ist auf Methoden angewiesen, die auch bei komplexen Strukturverhältnissen umfassende Informationen zur Verfügung stellen können.
PET-CT und PET-MRT
Die Kombination verschiedener Bildgebungsverfahren verbessert den diagnostischen Nutzen. So ist die PET-CT heute ein wichtiges Verfahren in der Onkologie, da die anatomischen Informationen aus der CT die genaue Lokalisation PET-positiver Läsionen ermöglichen. Eine PET-MRT bietet zusätzlich eine überlegene Darstellung von Weichgewebe (besondere Eigenschaft von MRT-Scans) und ist unter anderem in der Neurologie und bei pädiatrischen Untersuchungen vorteilhaft, da die Strahlenbelastung reduziert wird.
In der Mammadiagnostik (unter anderem zur Überprüfung des Verdachts auf Brustkrebs hat sich die multiparametrische PET-MRT als vielversprechend erwiesen. Die Kombination aus kontrastmittelverstärkter MRT, diffusionsgewichteter Bildgebung und 18F-FDG-PET ermöglicht eine umfassende Charakterisierung von Brusttumoren auf morphologischer, funktioneller und metabolischer Ebene.
Funktionelle MRT-Techniken
Die DWI-Sequenzen messen die Bewegung von Wassermolekülen im Gewebe und helfen dabei, maligne (bösartige) von benignen (gutartigen) Läsionen zu unterscheiden. Der ADC-Wert (Apparent Diffusion Coefficient) ist bei Tumoren typischerweise erniedrigt, da die hohe Zelldichte die Wasserdiffusion einschränkt. Entwicklungen wie die „intravoxel incoherent motion“ (IVIM) und Diffusionskurtosis-Bildgebung (DKI) liefern zusätzliche Informationen über Mikrostruktur und Vaskularisation (Gefäßversorgung).
Mit der MR-Spektroskopie (MRSI) wird die chemische Zusammensetzung von Geweben analysiert. So lassen sich mit der 1H-MRSI unter anderem erhöhte Cholinkonzentrationen (Cholin ist ein Baustein von Zellmembranen) in Tumoren nachweisen, die auf eine gesteigerte Zellmembransynthese hindeuten. Durch die Anpassung der Untersuchungsprotokolle lässt sich das Verfahren nicht nur bei Scans mit Feldstärken von 1,5 Tesla (T), sondern auch bei 3 T einsetzen.
Als 3D-Technik verwendet, ist das Verfahren sogar in der Lage, zwischen gut- und bösartigen Veränderungen zu unterscheiden. Die 1H-MRSI-Technik wurde in der Vergangenheit unter anderem bei Brustkrebs und für Untersuchungen des Gehirns in Studien eingesetzt [1].
Ultrahochfeld-MRT und innovative Techniken
Die Ultrahochfeld-MRT (Scans mit einem sehr starken Magnetfeld) eröffnet durch eine verbesserte räumliche und zeitliche Auflösung neue diagnostische Möglichkeiten. In Untersuchungen zu Tumoren der Brust hat sich unter dem Einsatz von Kontrastmitteln eine hohe diagnostische Genauigkeit und Sensitivität ergeben [2]. Diese Verbesserung der diagnostischen Qualität kommt am Ende auch der molekularen Bildgebung zugute.
Die Natriumbildgebung (23Na-MRT) nutzt die veränderte Natriumverteilung in Tumorzellen. Bei neoplastischen Veränderungen (Gewebeneubildungen) versagen wichtige Natrium/Kalium-Steuerungen in den Zellen, es kommt zu einer intrazellulären Anreicherung des Natriums. Mit der 23Na-MRT wird in Hochfeld-Untersuchungen eine gute Auflösung erreicht, sodass sich die molekularen Veränderungen detektieren lassen.
Ein weiteres Verfahren ist die Bildgebung mittels Chemical-Exchange-Saturation-Transfer (CEST) zur Darstellung chemischer Austauschprozesse. Auf diesem Gebiet finden aktuell umfassende Forschungsarbeiten statt, da Studien nicht nur darauf hindeuten, dass sich über diese Methode der molekularen Bildgebung aktive und apoptotische Tumorareale identifizieren lassen. Die Untersuchungen legen darüber hinaus auch nahe, dass die CEST-Bildgebung potenziell auch primäre Tumore von Metastasen unterscheiden kann [3].
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Anwendungsbereiche der molekularen Bildgebung
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Früherkennung, Staging und Therapiekontrolle von Tumoren
- Beurteilung der Vitalität des Herzmuskels
- Bewertung neurodegenerativer Prozesse
In der Medizin werden Informationen aus der molekularen Bildgebung in verschiedenen Bereichen verwendet. Ein bedeutendes Einsatzgebiet ist die Diagnostik bei Tumorerkrankungen. Hier verbessert eine frühzeitige Diagnosestellung mit umfassendem Staging (Bestimmung der Tumorausbreitung) und der Bestimmung molekularpathologischer Parameter die Prognose. Aber auch andere Fachgebiete profitieren von den aus der molekularen Bildgebung gewonnenen Informationen.
Krebsdiagnostik und Onkologie
In der Onkologie hat die molekulare Bildgebung inzwischen erheblichen Einfluss. Zu den häufig verwendeten Tracern gehört FDG (radioaktiv markierter Traubenzucker), der den erhöhten Glukosestoffwechsel (Zuckerstoffwechsel) von Krebszellen nutzt. Maligne Zellen erscheinen in der PET-Bildgebung als „heiße Flecken“ und sind damit gut sichtbar.
Diese Methode ermöglicht nicht nur die Früherkennung primärer Tumore, sondern auch das Staging und die Detektion von Metastasen (Tochtergeschwülste) in normgroßen Lymphknoten. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Therapiekontrolle: Bereits wenige Wochen nach Behandlungsbeginn zeigt eine reduzierte Anreicherung des Tracers das Ansprechen auf die Therapie an – und zwar noch bevor Größenveränderungen in der CT oder der MRT erkennbar werden.
Spezielle Tracer, die zum Beispiel auf PSMA (Prostata-spezifisches Membranantigen, ein Oberflächenprotein von Prostatatumorzellen) für Prostatakrebs oder Somatostatinrezeptoren (über DOTATOC, ein synthetisches Peptid für neuroendokrine Tumore) ansprechen, ermöglichen eine präzise Diagnostik. Mit diesen zielgerichteten Ansätzen können auch kleine Tumorherde identifiziert werden.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
In der Kardiologie kann die molekulare Bildgebung unter anderem die Durchblutung des Herzens und den Stoffwechsel des Herzmuskels darstellen. Mittels spezieller Tracer wie 13N-Ammoniak oder 82Rubidium (radioaktive Substanzen zur Durchblutungsmessung) kann beispielsweise die Perfusion (Durchblutung) des Herzmuskels gemessen werden. Dies ermöglicht die frühe Diagnose der koronaren Herzkrankheit, selbst wenn noch keine strukturellen Wandbewegungsstörungen vorliegen.
Besonders bei Diabetikern, bei denen herkömmliche Belastungstests oft weniger aussagekräftig sind, bietet die molekulare Bildgebung entscheidende diagnostische Vorteile. Zudem kann die Vitalität (Lebensfähigkeit) des Herzmuskels nach einem Herzinfarkt beurteilt werden, um zu entscheiden, ob eine Revaskularisation (Wiederherstellung der Durchblutung) sinnvoll ist.
Neurologische Erkrankungen
In der Neurologie ermöglicht die molekulare Bildgebung die Diagnose neurodegenerativer Erkrankungen vor dem Auftreten klinischer Symptome. Der DaTSCAN, mit einem radioaktiven Tracer zur Darstellung von Dopamintransportern, zeigt Störungen in den Basalganglien (Hirnregionen für Bewegungssteuerung) und kann so dabei helfen, Parkinson von anderen Bewegungsstörungen zu unterscheiden.
Bei Alzheimer-Demenz zeigen Amyloid-PET-Tracer (radioaktive Substanzen zur Darstellung von Amyloid-Plaques) charakteristische Ablagerungen im Gehirn bereits vor den ersten Gedächtnisstörungen.
Tau-PET-Bildgebung kann zusätzlich die pathologischen Tau-Protein-Ablagerungen (krankhafte Eiweißansammlungen in Nervenzellen) darstellen, die eng mit dem Schweregrad der Demenz korrelieren. Diese Erkenntnisse sind nicht nur diagnostisch wertvoll, sondern auch für die Entwicklung der Therapien von Bedeutung.
Fazit: Die molekulare Bildgebung verbessert Diagnostik und Therapie
MRT, CT und Röntgen liefern mit strukturellen Bildern wichtige Informationen für die Diagnose verschiedener Erkrankungen. In den letzten Jahren ist die molekulare Bildgebung als Teil der Radiologie bzw. der Nuklearmedizin zunehmend wichtiger geworden. Sie ermöglicht die Bewertung von Stoffwechselvorgängen, der Bildung von Blutgefäßen in Tumoren und der Durchblutung von Organen durch eine Betrachtung auf zellulärer Ebene. Damit trägt die molekulare Bildgebung nicht nur zur Präzision der Diagnostik, sondern auch zur Verbesserung der therapeutischen Ansätze bei.
FAQ zur molekularen Bildgebung: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Warum sind funktionelle Parameter in der radiologischen Diagnostik so wichtig?
Die molekulare Bildgebung liefert funktionelle Informationen, deren Bedeutung in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Zum Beispiel lässt sich mit spezifischen Radiotracern die Apoptoseintensität in Tumoren messen – um damit das Anschlagen einer Therapie frühzeitig einzuschätzen.
Beeinflusst die Feldstärke nur die Auflösung in der molekularen Bildgebung?
Nein, die Höhe der Feldstärke hat auch Einfluss darauf, wie lange eine Untersuchung dauert, bis die erforderliche Bildqualität erreicht ist. Verschiedene Untersuchungen sind auch mit geringeren Feldstärken als bei der Hochfeld-MRT durchführbar, nehmen aber eine längere Untersuchungsdauer in Anspruch.
Wie werden Radiotracer und Radiopharmaka verabreicht?
Radiotracer und Radiopharmaka (bei den Untersuchungen verwendete Medikamente) erhalten Patienten oft über einen Venenzugang. Je nach Verfahren kann die Gabe auch anders, zum Beispiel oral oder inhalativ, erfolgen.
[1] Klauser A, Strasser B, Thapa B, Lazeyras F, Andronesi O. Achieving high-resolution 1H-MRSI of the human brain with compressed-sensing and low-rank reconstruction at 7 Tesla. J Magn Reson. 2021 Oct;331:107048. doi: 10.1016/j.jmr.2021.107048. Epub 2021 Aug 11. PMID: 34438355; PMCID: PMC8717865.
[2] Pinker K, Bogner W, Baltzer P, Trattnig S, Gruber S, Abeyakoon O, Bernathova M, Zaric O, Dubsky P, Bago-Horvath Z, Weber M, Leithner D, Helbich TH. Clinical application of bilateral high temporal and spatial resolution dynamic contrast-enhanced magnetic resonance imaging of the breast at 7 T. Eur Radiol. 2014 Apr;24(4):913-20. doi: 10.1007/s00330-013-3075-8. Epub 2013 Dec 5. PMID: 24306425.
[3] Repositorium Universität Ulm, Chemical Exchange Saturation Transfer (CEST) am 3.0 Tesla Magnetresonanztomographen: Implementierung einer Datennachverarbeitungssoftware sowie Evaluation von Amid-Protonen-Transfer-CEST Kontrasten bei Patienten mit intrazerebralen Raumforderungen, online verfügbar unter: Link (Datum des letzten Zugriffs: 23.07.2025).